PROF. DR. KLAUS-JÜRGEN TILLMANN kommentiert die Rezension von Michael Fier
Die Buchrezension von Michael Fier unterscheidet sich wohltuend von den Besprechungen, die z. T. schon vor Erscheinen des Hentig-Buchs gedruckt und einhellig als „Verrisse“ angelegt wurden.
Wer Hentigs Buch unvoreingenommen liest, wird auf einen Autor stoßen, der sich mit den Sexualdelikten seines Freundes intensiv und in schmerzhafter Weise auseinandersetzt – der zugleich aber darauf besteht, von den Übergriffen in der Odenwaldschule erst im Nachhinein erfahren zu haben. Dies ist die subjektive Wahrheit des Autors, die bei den Lesern auf unterschiedliche Resonanz stoßen dürfte.
Hartmut von Hentig wird seit einigen Jahren wegen seines Verhaltens zu Gerold Becker massiv öffentlich angegriffen. In einer demokratischen Öffentlichkeit muss er die Möglichkeit haben, dazu seine eigene Sichtweise zu präsentieren. Genau dies geschieht in seinem jüngsten Buch.
Es ist jenseits jeder demokratischen Fairness, wenn der Autor angegriffen wird, weil er seine Sichtweise publiziert hat, und dass der Verlag angegriffen wird, dass er dieses Buch veröffentlicht hat. Nicht eine pauschale Abwehr, sondern eine ernsthafte und kritische Auseinandersetzung mit Hentigs Text – so wie sie z. B. bei Fier erfolgt – ist notwendig.