In einem Brief vom 8. März 2017 informiert der Vorsitzende des DGfE-Vorstandes, Herr Prof. Dr. Koller, Hartmut von Hentig erstmals über den Beschluss des DGfE- Vorstandes vom Januar 2017, ihm den Ernst-Trapp-Preis abzuerkennen. Hentig antwortet am 15. März 2017.
Berlin, den 15. 03. 2017
Sehr geehrter Herr Koller,
Ihren Brief vom 8.03.2017 habe ich erhalten und die Aberkennung des Ernst-Trapp-Preises durch den Vorstand der Deutschen Gesellschaft zur Kenntnis genommen.
Die Preissumme von 10.000 DM habe ich damals an den Verein Hope (Hilfsorganisation Perestroika) weitergegeben. Ob ich damals die Herkunft des Geldes angegeben habe, weiß ich nicht. Um in keiner Weise Nutznießer des mir aberkannten Preises zu sein – also auch nicht durch den Ruf eines großzügigen Spenders – überweise ich den Gegenwert 5000 Euro an die Deutsche Welthungerhilfe für durch die Hungersnot in Ostafrika bedrohten Kinder – mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich um den Trapp-Preis handle. Eine Ablichtung des Überweisungsauftrags liegt bei.
In der Ihrem Brief beigefügten Stellungnahme des Vorstands beruft sich dieser auf „kritische Stimmen“, die monieren, ich rechtfertigte im dritten Band meiner Lebenserinnerungen das verbrecherische Handeln von Gerold Becker ebenso wie mein eigenes Ignorieren und Verleugnen des vielfachen Missbrauchs. Als Belege für diese Auslegung meines Buches führen Sie die Rezensionen von Bernhard Pörksen und Volker Breidecker und die Stellungnahme des Jens Brachmann an. Ich muss annehmen, dass sich der Vorstand diese zu eigen gemacht hat; warum sonst sollte er sie zitieren?
Als Grund für die Aberkennung gibt er an, dass meine „Auseinandersetzung mit den Gewalterfahrungen, die viele Schüler nachweislich an der Odenwaldschule machen mussten, den berechtigten Anliegen der Opfer in keiner Weise gerecht“ werde.
Was mit den Anliegen der Opfer gemeint ist, wird in der Stellungnahme nicht mitgeteilt. Ich mache nichts falsch, wenn ich die in der „Pressemitteilung des Betroffenenrates“ vom 21.07.2016 erhobenen Forderungen und Vorwürfe als die von Ihnen gemeinten Anliegen ansehe – dies um so mehr als sich der Betroffenenrat der Argumente von Bernhard Pörksen bedient (wie auch Volker Breidecker) und die Stellungnahme von Jens Brachmann „ausdrücklich und vollständig“ unterstützt.
Dass der Vorstand der Ansicht ist, mein Buch werde den Opfern „in keiner Weise“ gerecht, lässt mich vermuten, dass er meine Replik auf die Äußerungen des Betroffenenrates und Bernhard Pörksen – nachzulesen auch in diesem Forum – nicht kennt. Er hätte sonst eine andere Formulierung gewählt. Ich lege diesem Schreiben darum meine Widerlegung der „Pressemitteilung des Betroffenenrates“ bei. Sie besteht aus der Gegenüberstellung der Vorwürfe mit Passagen aus „Noch immer Mein Leben“. Die Zahl derer, die meine Erwiderungen im Internet abgerufen haben, ist inzwischen fünfstellig. Der Vorstand, der eine Entscheidung von außerordentlicher Tragweite getroffen hat (eine Ehrung nicht zu bekommen, ist normal – sie abgenommen zu bekommen hat mörderisches Gewicht) sollte in der Kenntnis der Argumente der altera pars dem allgemeinen Publikum nicht nachstehen.
Es grüße Sie wie Sie mich „mit freundlichen Grüßen“
Hartmut von Hentig